Inhalt
Bindung ist ein fundamentales menschliches Bedürfnis, das unsere emotionale, soziale und neurobiologische Entwicklung tiefgreifend prägt. Frühkindliche Beziehungserfahrungen hinterlassen dauerhafte Spuren: Sie formen unser Selbstbild, unsere Emotionsregulation und unser Verhalten in herausfordernden Situationen. Dysfunktionale Bindungen beeinträchtigen das interne Regulationssystem, das für Affektkontrolle, den Aufbau gelingender zwischenmenschlicher Kontakte und die Entwicklung eines stabilen Selbstwerts essenziell ist. Fehlt in der frühen Entwicklung eine verlässliche emotionale Basis, erhöht sich die Vulnerabilität für psychische Störungen – einschließlich Suchterkrankungen. Unsichere oder traumatisierende Bindungserfahrungen gelten hier als bedeutende Risikofaktoren.
Suchtverhalten lässt sich in diesem Kontext oft als dysfunktionaler Versuch interpretieren, Bindungsdefizite zu kompensieren und emotionale Notlagen zu regulieren. Die Bindungstheorie erweitert klassische Therapieschulen, indem sie die Schlüsselrolle früher Bindungserfahrungen für die Entstehung und Aufrechterhaltung von Sucht betont. Therapeutische Interventionen sollten daher über die reine Verhaltensmodifikation hinausgehen und gezielt korrigierende Beziehungserfahrungen ermöglichen. Eine empathische und verlässliche therapeutische Allianz kann so als neue „sichere Basis“ dienen und Betroffene befähigen, belastende Muster zu verstehen, zu hinterfragen und langfristig zu verändern.
Schwerpunkte:
• Einführung in die Bindungstheorie unter Einbezug neurobiologischer und psychodynamischer Grundlagen; Darstellung der vier klassischen Bindungsstile und deren Bedeutung für Emotionsverarbeitung, Stressregulation und Beziehungsgestaltung im Erwachsenenalter.
• Einfluss früher Bindungserfahrungen auf die Ätiologie, Aufrechterhaltung und Rückfallproblematik von Suchterkrankungen unter Berücksichtigung biopsychosozialer Faktoren.
• Praxisnahe Vermittlung zentraler Wirkfaktoren und Gestaltungsformen therapeutischer Beziehung.
• Selbstreflexion hinsichtlich eigener Bindungsmuster und deren Bedeutung für die professionelle Beziehungsgestaltung im therapeutischen Setting.
Nutzen
Ziel der Fortbildung ist es, Ihnen ein Verständnis dafür zu vermitteln, in welcher Weise frühe Bindungserfahrungen und Bindungstraumata die Entstehung und Aufrechterhaltung von Suchterkrankungen begünstigen. Die Veranstaltung vermittelt theoretisch fundiertes Hintergrundwissen sowie praxisrelevante Strategien, um den beschriebenen Zusammenhängen im beraterisch-therapeutischen Alltag wirksam zu begegnen. Im Fokus steht dabei die Herausbildung einer reflektierten, bindungssensiblen Haltung.
Zeitrahmen / Programm
Erster Tag: 10:00 – 17:00 Uhr
Zweiter Tag: 9:00 – 16:00 Uhr
Methoden
Theoretische Input-Phasen, praktische Übungen mit kreativen Medien, Kleingruppenarbeit, Selbsterfahrung, Atem- und Körperübungen, Fallbeispiele, Diskussion und fachlicher Austausch
Referentin / Referent
Kröger, Christiane Jg. 1973, M.Sc. in Addiction Prevention and Treatment, Suchttherapeutin (VT, VDR-anerkannt), Diplom-Sozialpädagogin (FH), Heilpraktikerin für Psychotherapie, DBT-Curriculum AWP Freiburg / Berlin, Trauma Ausbildung an der Akademie für Traumatherapie Berlin. Seit 2002 in ambulanter und stationärer Suchtrehabilitation als Einzel- und Gruppentherapeutin tätig – Schwerpunkte: Bindungsverletzungen und Entwicklungstraumata, Traumafolgestörungen und BPS. Seit 2022 Lehrbeauftragte an der KatHo Mainz. Seit 2024 Referententätigkeit auf Fachtagungen, Kongressen und in eigener Privatpraxis tätig.
Anbieter
LWL-Koordinationsstelle Sucht
Auskunft zu Anmeldung und Organisation