Inhalt
Dieser Kurs richtet sich an pädagogische Fachkräfte aus den Hilfen zur Erziehung oder dem Jugendamt mit mindestens 3-jähriger Berufserfahrung, die im Rahmen des Schutzauftrages nach § 8a und b SGB VIII eine beratende Funktion als "insoweit erfahrene Fachkraft" wahrnehmen oder sich für solche Aufgaben qualifizieren möchten.
In dieser Zusatzqualifikation werden die Teilnehmenden auf die Rolle und Aufgaben einer „insoweit erfahrenen Fachkraft“ vorbereitet. Dazu gehört es, mit Ratsuchenden bei Verdacht auf eine Kindeswohlgefährdung eine strukturierte und qualifizierte Situationsanalyse durchzuführen und Handlungsoptionen zum Schutz der betroffenen Kinder und Jugendlichen aufzuzeigen.
Zentrale Leitfragen dieses Zertifikatskurses sind:
Was sind Kriterien für eine Kindeswohlgefährdung? Wo ist die Grenze zwischen Missachtung von Grundbedürfnissen und der Beginn einer Kindeswohlgefährdung? Welche Auswirkungen hat das auf Kinder und Jugendliche? Wie kann man eine umfassende Gefährdungseinschätzung durchführen? Wie kann Kooperation im Kinderschutz gelingen? Wie können Kindeswohlgefährdungen abgewendet werden? Wie kann man eine Beratung als "insoweit erfahrene Fachkraft" durchführen?
Im Rahmen des Kurses erarbeiten die Teilnehmenden eine eigene, professionelle Haltung im Umgang mit
Kindeswohlgefährdungen. Ziel ist ein kooperativer und partizipativer Kinderschutz.
Der Gesamtkursumfang beträgt 12 Kurstage: 6 zweitägige Module
Zwischen den Modulen wird es Treffen in Kleingruppen zur kollegialen Fallberatung oder spezifischen Fragestellungen geben. Diese Treffen sind Bestandteil des Zertifikatskurses. Die Termine muss die Kleingruppe selbst organisieren.
Voraussetzungen zur Erlangung des Zertifikats:
• Anwesenheit im 1. Modul • Anwesenheit im Kurs (mind. 80%) und aktive Teilnahme • Kleingruppentreffen zwischen den Modulen (ca. 12,5 Std.) • Abschlussarbeit (6-10 Seiten)
• Teilnahme am Kolloquium
Nutzen
• Eigenes Verständnis von Kinderschutz und Kriterien für Kindeswohlgefährdung entwickeln
• Klärung von Auftrag, Rolle und Aufgaben einer Kinderschutzfachkraft
• Umfassende Gefährdungseinschätzungen und Erstellen von Prognosen bei Kindeswohlgefährdungen
• Handlungsschritte bei Verdacht auf Kindeswohlgefährdung nach §8a SGB VIII, Schutzpläne erstellen und kollegiale Beratung durchführen
• Gelingende Kommunikation fördern und Beratungskompetenz entwickeln
Zeitrahmen / Programm
Modul 1: 21.-22.11.2024
Modul 2: 16.-17.01.2025
Modul 3: 27.-28.03.2025
Modul 4: 04.-05.06.2025
Modul 5: 28.-29.08.2025
Modul 6: 09.-10.10.2025
Seminarzeiten für jedes Modul:
1. Tag 10.00 - 18.00 Uhr
2. Tag 09.00 - 16.30 Uhr
Modul 1: Rechtsgrundlagen und Gefährdungen des Kindeswohls
In diesem Modul werden die rechtlichen Grundlagen zum Kinderschutz, Kriterien und Hinweise zu Kindeswohlgefährdungen, sowie die Klärung der Rolle der Kinderschutzfachkraft vermittelt.
Lerninhalte:
• Rechtsgrundlagen (GG Art. 6, § 1631 BGB, §§ 8a, 8b, 45, 47, 72a SGB VIII, § 1666 BGB, etc.)
• Eigenes Verständnis von Kinderschutz und Kriterien für Kindeswohlgefährdung entwickeln
• Klärung von Auftrag, Rolle und Aufgaben einer Kinderschutzfachkraft
Modul 2: Blick auf Kindeswohlgefährdungen aus systemischer, rechtsmedizinischer und familiengerichtlicher Sicht
In diesem Modul erweitern die Teilnehmenden ihre Sichtweisen auf Kindeswohlgefährdungen um verschiedene Perspektiven. Wie kommt es dazu, dass Eltern(teile) sich ihren eigenen Kindern gegenüber so verhalten, dass es gefährdend ist? Ein systemischer Blick kann helfen, um größere, z.T. auch biografische Zusammenhänge zu verstehen und dadurch die Kooperation mit Eltern zu verbessern. Der Austausch über familiäre Dynamiken ist besonders hilfreich, um passende Hilfen zu entwickeln. Zum Thema körperliche Misshandlungen gibt es wertvolle Hinweise von einer Gastreferentin aus der Rechtsmedizin. Eine Vertiefung zu der Frage „Wie kann man sexualisierte Gewalt gegen Kinder erkennen und handeln?“ ist ebenfalls Teil dieses Moduls. Des Weiteren wird ein Familienrichter als Gastreferent seine Perspektive auf Kindeswohlgefährdungen einbringen und einen Kurzüberblick über mögliche Vorgehensweisen bei familiengerichtlichen Verfahren geben.
Lerninhalte:
• Systemische Sichtweisen auf familiäre Dynamiken bei Kindeswohlgefährdungen
• Sexualisierte Gewalt gegen Kinder und Jugendliche erkennen und handeln
• Indikatoren für Kindesmisshandlung aus rechtsmedizinischer Sicht
• Das Verfahren vor dem Familiengericht bei Kindeswohlgefährdung
Modul 3: Gefährdungseinschätzung und Handlungsschritte nach §8a
Im dritten Modul findet anhand von eigenen, aktuellen Fallbeispielen der Teilnehmenden eine Vertiefung zum Thema Gefährdungseinschätzung statt. Wo ist die Grenze zwischen Missachtung von Kinderrechten oder Grundbedürfnissen und der Beginn einer Kindeswohlgefährdung? Dieses Spannungsfeld wird mit dem Fokus auf die fünf Aspekte einer Gefährdungseinschätzung mehrfach ausgelotet: 1. durch das Ausfüllen eines Einschätzungsbogens, 2. durch das Erkennen und Einbeziehen von Ressourcen und Schutzfaktoren, 3. durch das Einschätzen von Risikofaktoren. Auf dieser Grundlage wird 4. eine Prognose der möglichen Schädigung des Kindes und der weiteren Entwicklung der Situation und 5. eine Prognose zur Kooperationsbereitschaft der Eltern erstellt. Des Weiteren erfolgt eine Auseinandersetzung mit Handlungsschritten bei Verdacht auf Kindeswohlgefährdung nach §8a SGB VIII. Die Erstellung eines Schutzplans und kollegiale Fallberatung als Teil der Handlungsschritte werden gemeinsam durchgeführt.
Lerninhalte:
• Grundbedürfnisse von Kindern und Jugendlichen und Kinderrechte
• Umfassende Gefährdungseinschätzungen und Erstellen von Prognosen bei Kindeswohlgefährdungen
• Handlungsschritte bei Verdacht auf Kindeswohlgefährdung nach §8a SGB VIII, Schutzpläne und kollegiale Beratung
Modul 4: Kommunikation im Kinderschutz
Eine gelingende Kommunikation zwischen allen beteiligten Akteur:innen im Kinderschutz ist eine Voraussetzung zur umfassenden Gefährdungseinschätzung und Abwendung von Kindeswohlgefährdungen. Ziel ist es, Kinderschutz als Verantwortungsgemeinschaft zu gestalten.
Als insoweit erfahrene Fachkraft braucht man Beratungskompetenz und ein eigenes Beratungskonzept. Durch Übungen und Reflexion setzen sich die Teilnehmenden mit ihrer Berater:innenrolle als Kinderschutzfachkraft sowie mit Grundlagen aus der systemischen Beratung auseinander. Teil der Beratungsgespräche kann es auch sein, andere Fachkräfte auf Elterngespräche oder Gesprächssituationen mit Kindern und Jugendlichen im Kontext von Kindeswohlgefährdung vorzubereiten.
Lerninhalte:
• Gelingende Kommunikation fördern und Beratungskompetenz entwickeln
• Ressourcenorientierte Gesprächsführung und systemische Grundlagen
• Einbezug von Eltern, Kindern und Jugendlichen zur Bearbeitung von Gefährdungen
Modul 5: Bindungsmuster und Traumatisierungen im Kontext von Kindeswohlgefährdungen
Im Kontext Kinderschutz ist Grundlagenwissen zu den Themen Bindung und Trauma besonders wertvoll. Wenn Kinder und Jugendliche durch die eigenen Eltern Misshandlungen oder Vernachlässigung erfahren, hat dies oft tiefgreifende Auswirkungen auf die weitere Entwicklung der Heranwachsenden. Sie entwickeln häufig ungünstige Bindungsmuster, die mit einem geringen Selbstwert und wenig Selbstkompetenz einhergehen. In vielen Fällen kommt es zu Traumatisierungen der Kinder und Jugendlichen, die dann Traumafolgestörungen zeigen. Als Kinderschutzfachkraft unterschiedliche Bindungsqualitäten zu erkennen und Anregungen zu sicheren Bindungsbeziehungen zu geben wird in diesem Modul erarbeitet. Darauf aufbauend geht es darum, wie ein Trauma entsteht und wie man traumatisierte Kinder unterstützen kann.
Lerninhalte:
• Verschiedene Bindungsmuster und Förderung der Bindungsqualität
• Traumapädagogische Grundlagen
Modul 6: Abschlusskolloquium
Alle Teilnehmenden müssen zum letzten Modul eine kleine schriftliche Hausarbeit (6-10 Seiten) abgeben. Basis des Abschlusskolloquiums ist ein ca. 30-minütiges Gespräch über die zuvor eingereichte Hausarbeit. Im Anschluss daran findet am Abend ein besonderes Abendessen statt und die Teilnehmenden können miteinander feiern.
Da Kinderschutz nicht nur das häusliche Umfeld betrifft, erhalten die Teilnehmenden einige Hinweise zu institutionellen Gewaltschutzkonzepten.
Zum Abschluss des Kurses wird ein Blick in die Zukunft gewagt und es findet die Übergabe der Zertifikate statt.
Lerninhalte:
• Präsentation und Integration fachlicher und persönlicher Lernprozesse
• Hinweise zum institutionellen Gewaltschutzkonzept
• Standortbestimmung und Zukunftsperspektiven
Methoden
Referat und Erarbeitung der Themen in der Großgruppe, Diskussion und Austausch, Vertiefung in Kleingruppen, Anregungen zum systemischen Arbeiten, kollegiale Beratung, ausprobieren von Arbeitshilfen
Zulassungsvorraussetzung:
Fachkraft gemäß § 72 SGB VIII: i.d.R. (Fach)Hochschulabschluss (B.A., M.A., Diplom) in (Sozial)- Pädagogik oder Psychologie bzw. analoge Qualifikation,
mindestens drei Jahre Berufserfahrung in der Kinder- und Jugendhilfe
Eine Anmeldung ist nur für den kompletten Kurs möglich.
Anbieter
LWL-Bildungszentrum Jugendhof Vlotho
Referentin / Referent
Stefanie Schneider
Dipl.-Pädagogin
Claudia Friedhoff
Dipl.-Psychologin, Kinderschutzambulanz Universitätsklinik für Kinder- u. Jugendmedizin
Andreas Hornung
Familienrichter, Referendarausbilder und Examensprüfer
Dr. med. Stefanie Schlepper
Rechtsmedizinerin, Institut für Rechtsmedizin, Gewaltopferambulanz
Auskunft zu Anmeldung und Organisation